Bogeds Vermächtnis

Man sah sie schon von Fernem, eine Gruppe, be-stehend aus sieben Personen, hoch zu Roß über die Reichsstraße zwischen Glimmerbo und Röjning in Richtung der Residenzstadt des Königs Hjeimar ziehen.

Sieben Personen? Nein, es waren zwar sieben ausgezeichnet gepflegte Streitrösser, die jeder nur einen Reiter trugen, dennoch waren es eindeutig acht Personen. Butterbottom, die freche Fee war auch zu schnell zu übersehen. Aufrecht thronte sie auf dem Schädel ihres Pferdes, welches sie stolz Titan genannt hatte. Hinter ihr ritt, klein und ge-drungen, der nephidische Magier Stormgard, der trotz seiner kurzen Beine einen recht sicheren Ein-druck auf dem Rücken Titans machte.

Direkt neben Stormgard und Butterbottom war Damian Up'Norch nicht zu übersehen. In seinem in der Sonne glänzenden Brustharnisch sah der Ritter aus wie einer der alten Helden, von denen die Sa-gen Kulligs berichten, die während der langen und kalten Winter immer wieder von den Alten gerne und ausdauernd erzählt werden.

In seinem Schlepptau wurde er von Verleihnix, dem kelkurischen Händler, von Satarasch, dem szothischen Alligatorschamanen, von Elogan, dem elegant gekleideten Baumelben und vom Lemuryer Arrogest, dem grummeligen, immer in eine dicke Lederschürze gekleideten Schmied begleitet. Als allerletzter in der Gruppe fiel Tröm-Tröm auf. Unbehaglich zusammengesunken saß er auf seinem Streitroß, denn das Reiten war überhaupt nicht seine Sache. Er war ein wenig größer als ein Zwerg, dennoch konnte man ihn aus der Ferne keinesfalls mit einem Mitglied dieser zähen und sturen Rasse verwechseln. Nein, Tröm-Tröm war kein Zwerg, sondern ein Pedrusianer, geboren im tiefsten Dschungel der Gulcias. Sein etwa fünfzig Zenti-meter langer Rüssel, der anstelle einer Nase und eines Mundes aus seinem Gesicht ragte, hing trau-rig herab und baumelte bei jedem der schweren Schritte des Pferdes von links nach rechts.

"Komm, laß uns mal nachfragen, welche unbe-kannten Kräfte in deinem Schwert schlummern", meinte Butterbottom zu Stormgard, der mit seiner freundlichen Art schnell das Vertrauen der Fee erlangt hatte.

"Hm, mal sehen", entgegnete der Magier, der in seiner abgerissenen Robe nicht sehr magierhaft wirkte.

"Ihr immer mit euren magischen Waffen und so", klang es von hinten. Verleihnix hielt nicht viel davon, das sauer verdiente Geld in die Untersu-chung von magischen Artefakten zu stecken. Eine eigene Kneipe, ja, das wäre was… Dafür sparte Verleihnix eisern.

Satarasch, wie immer ganz in Gedanken versun-ken, bemühte sich, möglichst nicht aufzufallen. Seine Vergangenheit als entlaufener Sklave hatte ihm dieses Verhalten eingeprägt. Zwar versuchte Elogan immer wieder, den kleingewachsenen Ech-senmenschen aufzuheitern, doch die Laune Sata-raschs war heute einfach nicht die beste.

Tröm-Tröm, der etliche Meter hinter Verleihnix her ritt, konnte dessen Stimme nicht mehr ertragen, gab seinem Roß die Sporen, hielt sich am Zaum-zeug fest und preschte an der Gruppe vorbei, um zu Butterbottom, Stormgard und Damian aufzuschlie-ßen. Das Schlußlicht dieser seltsamen Prozession bil-dete nun Arrogest, in dessen ausdruckslosen Ge-sicht keine Regung zu erkennen war. Ihm gefiel es überhaupt nicht, das Schlußlicht der Gruppe zu bilden, also trieb er sein Streitroß Aska an und schloß zu Butterbottom und Stormgard auf, die, ganz in ihrer Diskussion versunken, nicht bemerk-ten, wie Arrogest neben ihnen auftauchte. "Darf man mitdiskutieren, oder sind eure Ge-heimnisse nicht für die Gruppe bestimmt?" "Stell dich nicht so an", entgegnete Butterbottom und schaute tief in Arrogests braune Augen. Dieser Blick der Fee ging Arrogest durch Mark und Bein, also beeilte er sich zu sagen: "Ich mein' ja nur. Ihr hier vorne plant alles und unsereins wei-ter hinten muß sich mit nörgelnden und redefaulen Echsenmenschen und ähnlichen Geistesgrößen abgeben."

"Red' nicht so übel über Satarasch, der ist doch ganz in Ordnung. Was kann Satarasch für seine leicht feuchte Aussprache?" beschwichtigte Storm-gard, immer um Freundlichkeit innerhalb der Grup-pe bemüht.

Von hinten ertönte ein freudiger Ruf: "Hey, seht mal nach vorne! Ihr merkt ja nicht einmal, wenn ihr schon fast vor der Stadtmauer von Glimmerbo steht!" Tatsächlich waren die Helden weiter vorn so in ihren Gesprächen vertieft, daß sie die hoch vor ihnen aufragenden Stadtmauern der Königsstadt glatt übersehen hätten, wenn sie nicht davor gelau-fen wären.

"Na ja", hielt ihm der etwas pikierte Lemuryer entgegen, "die Zinnen können wir noch nicht zäh-len, du Schlauberger!" Die durch Erfahrungen jedweder Art zusammen-gewachsenen Freunde und Mithelden standen nun auf einem der Hügel, die die Residenzstadt der Herrscher von Kullig umgaben und einen großarti-gen Ausblick auf die Stadt und ihr Umland bot. Einen Moment lang verharrten sie angesichts des Panoramas aus Türmen, Mauern, Kanälen und Menschenmassen, das sich ihnen bot und die mei-sten von ihnen immer wieder in ihren Bann zog.


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Erstellt von TSch